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Auf der Suche nach dem Nordlicht oder Wie die Fondation Beyeler die Nordlichter (nicht) fand.

  • Autorenbild: Martina Nommsen
    Martina Nommsen
  • 23. März
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. März

Ausstellungsbooklet der Ausstellung Nordlichter
Ausstellungsbooklet der Ausstellung Nordlichter


Schon um 1900 waren sich zahlreiche Künstler:innen der faszinierenden Schönheit des Nordens bewusst. Die sich entwickelnde Reise-Euphorie der Jahrhundertwende zog eine Vielzahl von ihnen an abgelegene Orte im hohen Norden. Insbesondere die skandinavischen Länder übten eine ausgesprochen starke Anzieungskraft aus. So reisten die Menschen aus den Metropolen an einsame Küstenorte irgendwo in den Dünen und nahmen für das Erleben unverfälschter Natur in abgeschiedener Isolation beschwerliche Reisewege auf sich.

 





Und wozu das Ganze? Sie erhofften, fernab der um sich greifenden Industrialisierung noch etwas Ursprüngliches finden zu können. Einen unverfälschten Eindruck des alltäglichen Lebens. Etwas Natürliches. In den Menschen und in der Natur. Und sie fanden es.


Edvard Munch, Sternennacht, 1922-1924, Munchmuseet, Oslo
Edvard Munch, Sternennacht, 1922-1924, Munchmuseet, Oslo

Die Menschen in den entstandenen Motivwelten gehen ihren alltäglichen Aufgaben nach. Sie zeigen unverblümt die harte Lebensrealität der Fischerfamilien, zeugen von ausgeprägter Religiosität und einem einfachen Dasein in Abgeschiedenheit. Die abgelegenen und oft nur schwer zu erreichenden Orte vermochten zudem mit einer scheinbar unveränderten und übermächtigen Landschaft zu überzeugen. Charakteristische Dünenausläufer erstrecken sich sanft gewellt über bildliche Szenerien. Verschlungene Wälder umfangen den Blick. Gebogene Küstenlinien öffnen die Sicht auf fremde Gewässer.



Hilma af Klint, Sonnenaufgang, Vorbereitendes Werk für Gruppe III, 1907, Courtesy of the Hilma af Klint Foundation
Hilma af Klint, Sonnenaufgang, Vorbereitendes Werk für Gruppe III, 1907, Courtesy of the Hilma af Klint Foundation




Diese monumentalen Natureindrücke wurden überragt von dem unverkennbaren Licht des Nordens. Die Nordlichter wabern in faszinierenden Lichterscheinungen über den Himmel. Das Nordlicht – auch Aurora borealis genannt – sowie dessen weniger bekannter Gegenpol das Südlicht – die Aurora australis – übte eine eindringliche Faszination aus. Doch die Polarlichter sind nicht das einzige Nordlicht. Vielmehr umschreibt dieser Begriff das atmosphärische Licht in Skandinavien. Die eigentümliche Helligkeit an einem warmen Sommertag, das Flimmern des Lichts über den unbestellten Feldern und die geheimnisvolle Atmosphäre innerhalb schattiger Wälder. Und ebenso bezeichnet das Nordlicht auch das besondere Licht der blauen Stunde, die mystische Zeit der Dämmerung, die von vielen Maler:innen motivisch aufgegriffen wurde.



Eine Ausstellung mit dem Titel Nordlichter verspricht genau dies: Werke, die sich mit dem eindringlichen und unverkennbaren Licht des Nordens auseinandersetzen. Das Ausstellungsplakat der Fondation Beyeler wirbt mit dem Titel Nordlichter und lockt das Publikum mit den bekannten Namen des Norwegers Edvard Munch und der Schwedin Hilma af Klint, wodurch die Erwartungshaltung seitens der Besucher:innen bereits in Skandinavien verortet wird.

 

Der Streifzug durch die neun Säle umfassenden Ausstellung offenbart jedoch einen anderen Aspekt der ausgestellten Werke. Es ist weniger das Nordlicht in all seinen Facetten, das die Werke thematisch vereint. Vielmehr sind es die Darstellungen von Landschaften, grösstenteils Waldszenerien, die sich wie ein roter Faden durch die Präsentation ziehen. Das Polarlicht am Himmel will gefunden werden und auch das eigentümliche Licht des Nordens kann in dieser Zusammenstellung nicht überzeugen. Überraschend positiv hat mich allerdings die Setzung der Werksangaben überzeugt - diese befinden sich nicht länger an der Wand, sondern vor dem jeweiligen Werk auf dem Fussboden. Dies ermöglicht dem Werk die ungeteilte Aufmerksamkeit auf der Wandfläche, ein wunderbares Handling. Ein Hinweis an dieser Stelle aus eigener Erfahrung: Für Menschen mit Sehbehinderung ist die schwarze Schrift auf dem Holzfussboden allerdings schwer zu lesen. Hier könnte noch nachgebessert werden.

 

Künstler:innen in der Ausstellung

Harald Sohlberg, Dänemark

Edvard Munch, Norwegen

Hilma af Klint, Schweden

Anna Boberg, Schweden

Prinz Eugen, Schweden

Gustaf Fjæstad, Schweden

Akseli Gallen-Kallela, Finnland

Helmi Biese, Finnland

Emily Carr, Kanada

Lawren S. Harris, Kanada

J. E. H. MacDonald, England/Kanada

Tom Thomson, Kanada

Iwan Schischkin, Russland


Harald Sohlberg, Ein Haus an der Küste (Fischerhütte, 1906, The Art Institute of Chicago, USA
Harald Sohlberg, Ein Haus an der Küste (Fischerhütte, 1906, The Art Institute of Chicago, USA

Der einleitende Ausstellungstext klärt auf: Die Ausstellung «zeigt Landschaftsmalerei, die in der Zeit zwischen 1880 und 1930 in der borealen Zone entstanden ist. Der boreale («nördliche») Nadelwald, auch Taiga genannt, ist der grösste Urwald der Erde …Charakteristisch für diese Landschaft sind das klare Licht der im Sommer nicht enden wollenden Tage, die dunklen und langen Winternächte sowie die Nordlichter.»

Und noch ein weiterer Hinweis ist Voraussetzung für das Verständnis der Ausstellung. Denn bei dieser Zusammenstellung handelt es sich keineswegs um eine neue Idee, sondern basiert auf einer historischen Ausstellung skandinavischer Künstler in Buffalo, USA von 1913.




Mit diesem Wissen verwundert es weniger, warum zwischen den skandinavischen Kunstwerken plötzlich kanadische Werke auftreten, da auch Kanada Teil der borealen Zone ist.


Die kuratierte Hängung der insgesamt 74 Werke erschwert das Erfassen dieser Zusammenhänge, da skandinavische und kanadische Werke in separaten Räumen präsentiert werden. Ein direkter Vergleich zwischen den eingefangenen Natureindrücken der 13 Künstler:innen ist kaum möglich. Und so eindrucksvoll die Werke Munchs auch sind – einen ganzen Raum mit ihnen zu füllen verhindert umso mehr das Erkennen künstlerischer gegenseitiger Einflüsse und die Wahrnehmung unterschiedlicher Perspektiven und Sichtweisen.

 

Vielleicht hätte der Fokus auf die gemeinsame historische Geschichte Skandinaviens und Kanadas einen weitaus interessanteren Aspekt eröffnen können. Denn dieser Hintergrund eröffnet die Brücke für das Verständnis der Ausstellung und hätte in dieser Hinsicht eine andere Erwartungshaltung etabliert, die mit der Wahl der ausgestellten Werke durchaus befriedigt worden wäre.


So bleibt die Frage, warum für diese Zusammenstellung ein so vordefinierter Begriff als Ausstellungstitel gewählt wurde, der in Kombination mit den versammelten Werken keine klare Verbindung aufzeigen kann.

Fondation Beyeler

26. Januar – 25. Mai 2025


«Nordlichter» ist eine Ausstellung der Fondation Beyeler, Riehen / Basel und des Buffalo AKG Art Museum, Buffalo/New York.

Kuratiert wurde die Ausstellung Ulf Küster, Fondation Beyeler in Zusammenarbeit mit Helga Christoffersen, Buffalo AKG Art Museum.


Es handelt sich um einen unbezahlten, unabhängigen Beitrag und die Wiedergabe meiner persönlichen Meinung.

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